Haushaltsrede 2025 im Gemeinderat Niedereschach – von Gerhard Rabus (Teil 1) und Elisabeth Beck-Nielsen (Teil 2)

Meine Damen, meine Herren,

unsere Ankündigung, den Haushalt in einer Rede kritisch zu beleuchten, hat im Gremium für Unmut gesorgt. Doch als Gemeinderat sind wir verpflichtet, den Haushalt nicht nur abzunicken, sondern konstruktiv und kritisch zu prüfen. Diese Verpflichtung nehmen wir ernst.

Als am 1. Oktober die Einbringung des Haushalts auf der Tagesordnung stand, war von größeren finanziellen Nöten nicht die Rede.

In der zweiten Beratung war das Gremium überrascht und schockiert, als ein niederschmetterndes Rechnungsergebnis vorgelegt wurde. Dies wirft die Frage auf: Was ist in diesen drei Wochen passiert – wodurch wurde eine solche Wende bewirkt?

Die Antwort: Wir Grünen haben einen Antrag gestellt. Der sollte sicherstellen, dass Vereine der Gesamtgemeinde, die größere Vorhaben nicht mehr aus eigener Kraft stemmen können, die Möglichkeit erhalten aus einem Zuschusstopf finanzielle Unterstützung zu bekommen. Gedacht war dabei an Niedereschacher Vereine die gemeinnützig sind und in entsprechendem Umfang Jugendarbeit leisten. Die Höhe des Zuschusstopfes sollte auf 300.000 € begrenzt sein.

Was dann passiert, ist ein sicher nicht üblicher Vorgang, der in seiner Rigorosität im Umland seinesgleichen sucht.

Zu Beginn des Jahres verfügte die Gemeinde über liquide Mittel von über 10 Millionen Euro. Dennoch wird der Haushalt durch übervorsichtige Planungen schlechter dargestellt, als es die Faktenlage rechtfertigt.

Ein Zuschusspool, der nicht einmal 3% der Anfang 2024 verfügbaren Gelder von 10 Mio € beansprucht, soll nicht in den Haushaltsplan einfließen. Eine Maßnahme die Mittel bereitstellt zur Existenzsicherung und zum Wohle unserer Jugend und ihrer Vereine.

Warum?

1. hat der letzte Gemeinderat eine Bezuschussung speziell des Fußballvereins bereits abgelehnt, und außerdem sind
2. alle Versuche des Bürgermeisters mit dem Fußballverein eine einvernehmliche und zufriedenstellende Lösung zu finden gescheitert, und letztlich kommt
3. der Antrag aus der falschen Ecke.

Hier zur Verdeutlichung und um das große Ganze plastisch darzustellen noch ein paar Zahlen.

Bei der Aufstellung des Haushaltsplans, wohlgemerkt eines Plans, einer erdachten Prognose, wird abgeschätzt, wieviel Geld eingenommen wird und ausgegeben werden soll und wieviel folgerichtig am Jahresende übrigbleibt oder fehlen wird.

In den letzten 3 Jahren wurden vom Gemeinderat Haushalte beschlossen, die folgende negative Prognosen auswiesen:
2021 ein Minus von 2,1 Mio €,
2022 eines von 1,5 Mio € und
2023 sollten am Ende 2,1 Mio € fehlen. Das macht 5,7 Mio € Verlustkalkulation in 3 Jahren.

Und genau diese Ergebnisse sind in diesen drei Jahren in Wirklichkeit herausgekommen:
2021 insgesamt etwa 200.000 € Überschuss
2022 insgesamt 4,4 Mio Überschuss
2023 insgesamt 2,9 Mio Überschuss, das macht zusammen 7,5 Mio € plus.

Das ist ein Unterschied von mehr als dreizehn Millionen Euro zwischen Plan und Wirklichkeit in 3 Jahren. Über die Gründe könnte man einen abendfüllenden Vortrag halten, das erspare ich uns.

Es ist genau diese Entwicklung, die unser Unverständnis nährt: Jahr für Jahr werden wir mit prognostizierten Defiziten und umfangreichen Streichlisten konfrontiert, nur um wenige Monate später ein tatsächliches Haushaltsergebnis zu erleben, das die liquiden Mittel der Gemeinde um Millionenbeträge steigert. Ob dem Grundsatz der Haushaltswahrheit und der Haushaltsklarheit so noch Rechnung getragen wird, soll jeder selbst entscheiden.

Hier ein Beispiel warum Plan und Wirklichkeit fast immer weit auseinanderklaffen: Regelmäßig wird nahezu die Hälfte (ca. 43% 2021-2023) der geplanten Investitionen nicht umgesetzt. Statt realistisch zu planen, wird Jahr für Jahr deutlich mehr angesetzt, als tatsächlich im Laufe des Jahres ausgegeben werden kann. Diese überzogenen Planungen führen zwangsläufig dazu, dass am Jahresende Geld übrig bleibt – nicht weil gespart wurde, sondern weil die Umsetzung der Investitionen hinter den Planungen zurückbleibt.

Unseren Vereinen wird derzeit erklärt, dass Zuschüsse in den nächsten fünf Jahren angeblich nicht finanzierbar seien. Zur Untermauerung dieser Argumentation wurden wenige Tage vor der letzten Beratung sogenannte ‚Giftlisten‘ verteilt, mit der Aufforderung, Leistungen, auch freiwillige, aus einem bewusst negativ gerechneten Haushaltsentwurf zu streichen oder in künftige Jahre zu verschieben.

Unsere schriftliche Anfrage an die Verwaltung, uns im Vorfeld haushälterische Möglichkeiten für die geplanten Zuschüsse aufzuzeigen, wurde vollständig ignoriert. Sie blieb unbeantwortet und es fand weder eine inhaltliche Diskussion noch eine formale Ablehnung statt.

Wir haben auch ohne die geforderten Informationen für unseren Antrag zwei verschiedene Möglichkeiten der Umsetzung vorgestellt. Wir haben nachgewiesen, dass die Finanzierung problemlos realisierbar ist. Eine Abstimmung im Gemeinderat über unseren Antrag wurde jedoch verhindert.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Wir stellen nicht infrage, dass die Verwaltung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben handelt. Allerdings halten wir diese Maßnahmen angesichts der aktuellen und zukünftigen Herausforderungen für unzureichend. Um den Anforderungen unseres Gemeinwesens gerecht zu werden müssen jedoch angesichts der dargestellten, katastrophalen Haushaltslage die folgenden Aufgaben erst gar nicht mehr in den Blick genommen werden:

– ein Beitrag der Gemeinde zur Klimawende und zur sauberen Energieerzeugung,
– ein Beitrag der Gemeinde für mehr Investitionen in die ehrenamtliche Jugendarbeit,
– ein Beitrag der Gemeinde zur Kundengewinnung bei der Wärmenetzerweiterung,
– ein Beitrag der Gemeinde zur Energieberatung, und Wärmeplanung
– ein Beitrag der Gemeinde zur Temporeduzierung in Durchgangsstraßen, u.v.m.

Überall weitgehend Fehlanzeige. Nicht einmal Geld für ein schützendes Sonnensegel auf dem Spielplatz.

Allesamt bedeutende Aspekte, die zur Verbesserung der Lebensqualität und zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung beitragen könnten. Komisch, dass andere Gemeinden unserer Größenordnung genau diese Aufgaben annehmen und aktiv umsetzten:
• Deißlingen z.B. finanziert eine 70 Prozent-Stelle und Königfeld eine halbe Stelle für offene kommunale Jugendarbeit.
• In Trossingen und Bräunlingen sollen Windräder gebaut werden, und wirklich alle werden etwas davon haben.
• In Unterkirnach rechtfertigt die Verwaltung die vollständige Finanzierung des Kunstrasenplatzes mit der Argumentation, dass die Jugendarbeit eine Pflichtaufgabe sei und die Kommune den großen Vereinen eine Perspektive bieten müsse. Unterkirnach legt also eine klare Priorität auf die Förderung der Jugendarbeit und anerkennt die Bedeutung von Sportvereinen für die Gemeinschaft. Der Gemeinderat beschließt die Umsetzung basierend auf genau diesen Argumenten, die auch die unseren waren und immer noch sind.

Daher fragen wir: Wer geht denn hier wirklich den richtigen Weg? Während wir über Millionenbeträge verfügen, müssen wir uns mit Giftlisten auseinandersetzen, obwohl jeder weiß, dass der Haushalt niemals rechtswidrig sein wird.

Angesichts der Widersprüche im vorliegenden Haushalt und der mangelnden Bereitschaft, dringend notwendige Zukunftsaufgaben anzugehen, erkennen wir eine eklatante Vernachlässigung der Bedürfnisse der Bürger. Wir fordern künftig deutlich mehr Engagement für die drängenden Herausforderungen unserer Gemeinde.

Wir lehnen daher den Haushalt dieses Jahr ab.

Haushaltsrede Teil 2

Trotz aller Kritik möchten wir uns bei Ihnen Herr Bürgermeister Ragg und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Verwaltung für die Erfüllung Ihrer Pflichten und Aufgaben sowie die im Dienste der Gemeinde geleistete Arbeit bedanken.

Dennoch würde wir uns für die Zukunft wünschen, dass sie über ihre Pflichterfüllung hinaus sehen und visionären Impulsgebungen aus dem Gemeinderat oder der Bürgerschaft mit mehr Offenheit und weniger Angst begegnen. Es ist das Geld der Bürger*innen, das Sie hier verwalten und nach ihren Gewichtungen investieren, und es sind die Bürger*innen, die uns in den Gemeinderat gewählt haben, damit wir ihre Interessen zu Gehör bringen.

Unsere Gemeinde praktiziert seit vielen Jahren eine, nennen wir es „vorsichtige Haushaltsplanung“. Genauer gesagt, man budgetiert ein Maximum an Ausgaben und freut sich, wenn während des Haushaltsjahrs Überschüsse entstehen, die man dann in Rücklagen oder liquiden Finanzmitteln ansammeln kann. Man sieht mehr die Risiken, statt die Chancen und Möglichkeiten einer neuen Idee.

Leider hat unser Antrag, ein Finanzinstrument als Förderfond für größere Investitionen in den Haushaltsplan einzustellen, keine Mehrheit gefunden.

Wir als Gemeinde profitieren von dem großen Engagement der vielen ehrenamtlichen Mitarbeitenden der sport- und kulturtragenden Vereine und der dort geleisteten Jugendarbeit. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Die vielfältigen Angebote zur Freizeitgestaltung machen unsere Gemeinde attraktiv.

Wir als Gemeinde unterstützen die laufenden Kosten der Vereinsaktivitäten und stellen kostenlose Räumlichkeiten zur Verfügung. Die Sportvereine sind für ihre Sportplätze und Immobilien selbst verantwortlich, wofür sie zur Unterhaltung einen Zuschuss bekommen. Dennoch kommt gerade bei Sportplätzen alle 50 Jahre mal ein größeres Sanierungsprojekt hinzu, das nicht allein gestemmt werden kann.

Hier sehen wir die Gemeinde in der Pflicht eine bedarfsorientierte finanzielle Unterstützung zu leisten und dafür finanzielle Mittel bereitzustellen. Darüber hinaus könnten wir uns ein Bürgerbudget vorstellen, welches im Haushaltsplan eine vom Gemeinderat festgelegte Geldsumme ausweist, die für Wünsche aus der Bürgerschaft oder gemeinnützige Projekte verwendet werden kann. Wenn wir die Bürgerschaft auch an unseren finanziellen Zuwächsen beteiligen, so geben wir doch nur das zurück, was wir von ihnen oder durch sie erhalten haben.

Wir wollen nicht nur das Geld der Bürgerschaft verwalten und verplanen, sondern die Bürger auch an finanziellen Zugewinnen teilhaben lassen. Nach dem Motto: Wir machen nicht nur was wir müssen, sondern wir machen was wir können.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und uns für das Jahr 2025 viele gute Ideen, eine konstruktive Zusammenarbeit und trotz unterschiedlicher Sichtweisen gute fraktionsübergreifend Lösungen zum Wohl unserer Bürgerschaft.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!

Artikel kommentieren

Artikel kommentieren