Leserbrief von Maren Ott zum Frauenanteil in den neu gewählten Gremien auf Kreis- und Gemeindeebene

Der Kongress tagt

Als Kreisrätin der Wahlperiode 2019-2024 möchte ich anlässlich des Beginns der Sitzungen der neu gewählten Gremien auf Kreis- und Gemeindeebene einen Blick auf den Frauenanteil in diesen Räten und die daraus resultierenden Auswirkungen werfen.

MEINUNG

Es ist ernüchternd, dass der Frauenanteil in den Gemeinderäten und im Kreistag des so niedrig geblieben ist. In unserem Kreistag sind genau 20% Frauen (landesweiter Durchschnitt 22%), in den Gemeinderäten ist die Quote meist etwas besser, erreicht aber selten 30%.

Bekanntermaßen sind die Ursachen dafür vielschichtig, vor allem aber beginnt es damit, dass die Teilnahme von Frauen in der Politik oft an der Mehrfachbelastung durch Familie, Beruf und Ehrenamt scheitert. In vielen Fällen fehlen flexible Strukturen, die es Frauen und allen Menschen mit modernen Lebensentwürfen ermöglichen, sich trotz dieser Belastungen zu engagieren. Ein Blick auf die Alters- und Berufsstruktur gerade im Kreistag scheint den Schluss nahe zu legen, dass dieses Mandat nur von Rentnern/Pensionären und Bürgermeistern ausgeübt werden kann – Ausnahmen bestätigen die Regel. Ist das wirklich Sinn und Zweck einer demokratischen Wahl?

Die Auswirkungen sind schwerwiegend: Entscheidungen entsprechen nicht den vielfältigen Lebensrealitäten der Bürgerinnen und Bürger, es fehlt die weibliche Perspektive bei Themen, die gerade Frauen besonders betreffen, sei es in der Sozialpolitik, der Stadtentwicklung, Mobilität oder in der Bildung. Hinzu kommt die massive Männerdominanz von 70% allein auf Amtsleitungsebene im Landratsamt, die ja meist für Themensetzung und Sitzungsvorlagen verantwortlich ist.

Dies alles widerspricht dem Grundgesetz, in welchem zu lesen ist „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Der Staat, das sind auch das Landratsamt, der Landrat, die Gemeinden und Städte. Im Schwarzwald-Baar-Kreis gibt es genau zwei Beauftragte für Chancengleichheit, bei der Stadt Villingen-Schwenningen und im Landratsamt, beide in Teilzeit. Ist das die Antwort auf ein Grundrecht, das es seit 75 Jahren gibt und seither noch nicht einmal ein Drittel aller Mandate in den kommunalen Gremien hervorgebracht hat?

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Ich rufe alle Entscheidungsträgerinnen und –Träger in den Verwaltungen, den Parteien, in den Gremien dazu auf jetzt aktiv Maßnahmen zu erarbeiten, die den Frauenanteil in den kommunalen Gremien bei der nächsten Wahl wirksam erhöhen. Dass es gehen kann, zeigt der Frauenanteil einer Fraktion im Kreistag, der bei 63% liegt.

Maren Ott, Bräunlingen

Hinweis: Meinungsbeiträge spiegeln – ähnlich wie Leserbriefe – nicht unbedingt die Meinung des Kreisverbandes wieder, sondern sind als individuelle Beiträge zum Diskurs zu verstehen.